Eine wahre Geschichte über den Wandel von Social Media Marketing

Eine wahre Geschichte über den Wandel von Social Media Marketing

Heute wieder ein Gastbeitrag auf meinem Werbeblog – vielen Dank dafür.


Wer sich in den sozialen Medien bewegt und bezahlte Werbung nutzt, bewegt sich in einem sehr dynamischen Marktumfeld. Die Spielregeln ändern sich ständig, erfolgreiche Taktiken sind morgen schon überholt und müssen immer wieder neue Strategien gefunden werden.

Diese wahre Geschichte zeigt, wie sehr sich im letzten Jahrzehnt die Rahmenbedingungen geändert haben und warum es gefährlich ist, heute noch nach “alten” Denkmustern zu arbeiten.

Das goldene Zeitalter des Social Media Marketings

Zur Veranschaulichung, wie dynamisch die Welt des Social Media Marketing Marketings ist, zeige ich folgendes Beispiel, bei dem alle Zahlen real sind.

Wir sind im Jahr 2009. Ein junger Einzelunternehmer in der Finanzbranche startet seine Selbständigkeit und ist auf der Suche nach Kunden. Facebook hat erst seit kurzem eine neue Funktion eingeführt: man kann nicht nur einfach Werbung schalten, sondern personalisierte Werbung nach sozio-demographischen Merkmalen. Jede Musikrichtung, jedes Interesse, Hobby, Aktivität oder sonstige Merkmale sind nun für Werbetreibende verfügbar. Zu dieser Zeit haben die User auf Facebook noch bereitwillig über ihre Aktivitäten und Freizeitgestaltung berichtet – somit die ideale Basis für personalisierte Werbung.

Unser Jungunternehmer ist auf der Suche nach Kunden in seinem nahen Umfeld – bis etwa 30 Kilometer im Umfeld seines Standortes wäre optimal. All diese Kriterien sind verfügbar und somit beschließt er, eine bezahlte Kampagne zu starten und dieses neue “Onlinemarketing” zu testen. Etwas seltsam ist es schon, denn Facebook ist zu der Zeit noch etwas Neues und wurde damals nur von den 16- bis 30-jährigen genutzt. Vor allem von “erfahreneren” Geschäftstreibenden wird die Plattform belächelt.

Erste Facebook-Kampagne

Er startet eine Kampagne mit den Zielkriterien, legt das Budget auf 300 € in einem Zeitraum von 4 Wochen fest, um zu sehen, ob und welche Ergebnisse erzielt werden. Gesammelt werden die Adressen über eine neue, lokale Facebook Gruppe, die thematisch zu den beworbenen Produkten passt. Fast jeder User, der beitritt, wäre somit ein potenzieller Lead. Die Preise pro Klick liegen im Schnitt bei 0,05 €, oft auch darunter.

Gespannt beobachtet er das Ergebnis. Die Gruppe beginnt sich rasant mit neuen Leads zu füllen – zuerst ein paar hundert, später sogar ein paar tausend!

Das Budget ist noch nicht verbraucht, da stoppt er die Kampagne bei ca. 250 €. Es sind bereit über 5.000 Leads in der Gruppe vorhanden, alle direkt aus der Zielgruppe und einem geographischen Umkreis von 30 km! Dies ist mehr als der Unternehmer alleine in den kommenden Monaten bearbeiten kann, viel mehr!

Obwohl die Werbung bereits gestoppt ist, wächst die gerade erst frisch gegründete Gruppe täglich weiter. Denn im Facebook Algorithmus von 2009 sahen alle Freunde eines Nutzers dessen Aktivitäten, darunter welchen Gruppen jemand beitrat. Dadurch, dass in einem kleinen geographischen Gebiet so viele Nutzer gleichzeitig der Gruppe beigetreten waren, gab es eine virale Verbreitung der Gruppe nachdem die Werbung beendet wurde. Freunde von Freunden wurden neugierig und traten ebenfalls bei. Bei jedem aktiven Nutzern, der damals der Gruppe beitrat, sahen so 300 – 1.000 zusätzliche Nutzer die Aktivität und damit den Namen und Zweck der Gruppe – eine sehr starke zusätzliche Werbung.

Ergebnis der Facebook-Kampagne

250 € investiert
5.000 potenzielle Kunden aus der direkten Umgebung und der Zielgruppe.
Weiteres, virales Wachstum der Gruppe noch nach Monaten.

Wow! Der Unternehmer hat nun mehr Arbeit und potenzielle Kunden, als er in absehbarer Zeit bearbeiten könnte. Die Gruppe war so erfolgreich, dass die nächsten Jahre der Umsatz des Einzelunternehmers sich rein aus diesen gesammelten Leads ergab. Wohlgemerkt, dies waren zehntausende Euro an Umsatz und das für nur 250 € Einsatz in ca. 3 Wochen!

Die nächsten Jahre konnte der Unternehmer gut von diesen Leads leben und in die Selbständigkeit starten. Er wiegte sich in Sicherheit, denn von nun an hatte er scheinbar eine endlose Quelle an Neukunden, die sich auf Knopfdruck aktivieren lässt.

Die Zeiten ändern sich

Drei Jahre später war es dann soweit. Unser Jungunternehmer spürte eine Umsatzflaute, die Anfragen gingen zurück und die Nutzung der Gruppe entwickelte ein Eigenleben, das geschäftlich immer weniger nutzbar wurde. Also wollte er die “Umsatzmaschine Social Media Marketing” nochmal anwerfen. Eine neue Gruppe, zielgerichtet auf einen größeren geographischen Umkreis. Es war das Jahr 2012. Doch die Zauberformel für neuen Umsatz hatte sich grundlegend verändert:

  • Facebook Gruppen konnte man nicht mehr bewerben
  • Die Klickpreise für die Zielgruppe lagen bei 1 € und höher, darunter wurden die Anzeigen meistens nicht mehr ausgeliefert
  • Wenn ein Nutzer mit 1.000 Freunden eine Gruppe abonnierte sahen dies nur mehr ca. 5-10% der Freunde

Damit änderten sich folgende Dinge:

  • Eine Gruppe auf Facebook für Werbezwecke zu erstellen, war von da an unmöglich.
  • Für ein kleines Budget werben und genau die richtige Zielgruppe zu erreichen, war mit den jetzigen Klickpreisen ebenfalls unmöglich.
  • Virale Verbreitung wurde rein davon abhängig, ob man dem Algorithmus gefällt oder nicht. In 99% der Fälle ist dies nicht der Fall.
  • Unser Unternehmer versuchte es dennoch – schließlich sind es ja nach wie vor personalisierte Anzeigen. So etwas Schönes darf nicht einfach so verschwinden.

Zweite Facebook-Kampagne

  • 1.000 € wurden investiert – ohne Ergebnis. Keine einzige Anfrage für die Dienstleistung.
  • Weitere 2.000 € wurden investiert – erneut ohne eine einzige Anfrage.
  • Bis zu 5.000 € wurden insgesamt in Facebook Werbung gesteckt, die zwar einige Anfragen ergaben, aber letztendlich keinen Cent Umsatz.

Die “Wunderwaffe” Onlinemarketing war genauso schnell verschwunden, wie sie gekommen ist. Oder doch nicht?

Social Media Marketing ist ein sich bewegendes Ziel

Man könnte bei unserem Beispiel denken, es handelt sich um einen Einzelfall, der zur falschen Zeit am falschen Ort war. Tatsächlich ist der Fall etwas komplexer. In diesen Jahren wandelte sich Facebook von einer “hippen” Plattform, die vorwiegend von jungen Menschen benutzt wurde, zu einer von der Masse genutzten Plattform. Die am stärksten vertretene Gruppe waren nicht länger Menschen in ihren 20ern, sondern es waren immer mehr Nutzer zwischen 30 und 40+. Es waren die Jahre, in denen manch einer vielleicht sogar plötzlich seine (Groß)Eltern auf Facebook begegnete.

Mit der steigenden Popularität änderte sich nicht nur die Gruppe der Nutzer, sondern auch die Gruppe der Werbetreibenden. Von den anfänglichen sensationellen Erfolgen von “kleinen” Werbetreibenden wie in unserem Beispiel, wurden schon bald immer größere Unternehmen angelockt.

Je mehr Werbetreibende je höher die Klickpreise

Die Klickpreise werden nach einem Auktionsverfahren bestimmt. Je mehr Unternehmen auf die Zielgruppe bieten, und je mehr Budget diese zur Verfügung stellen, desto stärker steigen die Preise pro Klick. In den späteren Jahren sollten sogar gezielte Maßnahmen ergriffen werden, um die Klickpreise unter Werbetreibenden immer höher zu treiben. Dies führte schon bald dazu, dass es keine Werbekampagnen mehr für ein Taschengeld gab. Stattdessen entdeckten große Unternehme und Konzerne die Welt des Social Media Marketings für sich und trieben mit monatlichen Werbebudgets von 100.000 € und mehr die Preise nach oben.

Gleichzeitig ging die virale Verbreitung von Beiträgen weitgehend verloren, weil mit der gestiegenen Anzahl an Werbung und zusätzlichen Nutzern, immer weniger Platz auf den Bildschirmen für einzelne Beiträge vorhanden war. Die Werbeanzeigen waren und sind auch heute noch die Umsatzbringer für Meta & Co. Wo einst auch nur Profile von privaten Nutzer vorhanden waren, kamen über die Jahre Profile von Unternehmen, Vereinen und Gruppen dazu. Und neben Beiträgen mit Text gab es plötzlich viel mehr Formate, wie Stories, Videos, Livestreams, Podcasts, Links und vieles mehr, das man teilen konnte.

Der Platz im Feed der User wurde dadurch immer geringer. Wer 2009 noch eine Unternehmensseite mit 3.200 Followern hatte und einen Beitrag teilte, konnte sich darauf verlassen, dass die 3.200 Follower den Beitrag sehen werden. Dies war die große Zeit der Influencer, vor allem als Instagram immer beliebter wurde und sich dort die meisten von ihnen versammelten. Es ging soweit, dass Profile mit Millionen von Followern wie Kim Kardashian 6-stellige Summen gezahlt bekamen für das Posten eines einzigen Fotos.

Mehr Kosten und Aufwand, weniger Reichweite

Jahre später sahen nur mehr ein Bruchteil der Follower einer Seite oder eines Profils die geposteten Inhalte. Den Profilen wurde über Jahre systematisch die organische Reichweite entzogen. Bei der Gruppe in unserem Beispiel mit 3.200 Followern sahen Jahre später nur noch 1.000 einen geposteten Beitrag. Weitere Jahre später waren es vielleicht nur noch 500, und heutzutage sehen teilweise nur mehr 30-40 von 3.200 Followern ein Posting.

Wie Sie sich vermutlich denken können, wurde dafür aber immer mehr Platz im Feed bereitgestellt für bezahlte Werbung. Wer in den letzten Jahren eine Seite auf Instagram oder Facebook betreibt, hat sicher festgestellt, dass selbst mit tausenden Followern die Reaktionen auf Beiträge kaum mehr vorhanden sind – weil die Follower, obwohl sie freiwillig durch das Liken oder Folgen zugestimmt haben Inhalte einer Seite sehen zu wollen, diese nicht mehr ausgeliefert bekommen. Stattdessen bekommt man als Admin einer solchen Seite dafür bei fast jedem Beitrag eine Meldung angezeigt: “Dein Beitrag kommt gut an. Du könntest ihn bewerben, um mehr Nutzer zu erreichen.”

Sich viral verbreitende Posts sind zwar nicht unmöglich, aber heutzutage ungefähr so selten wie ein Einhorn geworden. Vor allem bei fachlichen Beiträgen oder Nischenthemen sind diese kaum mehr zu erreichen. In den letzten Jahren lieferten die Algorithmen beispielsweise verstärkt provozierende und polarisierende Inhalte aus. Und durch die Änderung der Auslieferung sind selbst bei Seiten mit zehntausenden Followern kaum mehr virale Ergebnisse zu erwarten. Die Werbekosten sind gleichzeitig rasant gestiegen.

Wie sieht erfolgreiches Social Media Marketing heute aus?

Soziale Medien sind immer noch einer der besten Plätze, um gezieltes Marketing für eine Zielgruppe zu betreiben. Die unvorstellbare Masse an Daten, die Meta und Co. über jeden einzelnen Nutzer horten, ist nach wie vor unübertroffen – und damit extrem wertvoll für jeden, der im Marketing tätig ist.

Social Media Marketing ist nur anders geworden. Das wichtigste dabei zu verstehen ist, dass es ein Pay to Play geworden ist. Man kann immer noch Tausende von Menschen aus einem engen geographischen Raum aus einer bestimmten Zielgruppe erreichen. Nur muss man heute bereit sein, entsprechend dafür zu bezahlen.

In seinem Buch “Eine Million Follower” beschreibt Brendan Kane, dass man heute bereit sein muss, pro Posting etwa 20 € in Anzeigen nur für dieses eine Posting auszugeben, um überhaupt an seine eigenen Follower ausgeliefert zu werden (!). Will ich also meine 3.200 Follower mit meiner Gruppe bei jedem Posting erreichen, muss ich bereit sein, dies zu investieren. Bei täglichen Postings sind dies allein für das Erreichen meiner Follower 600 €, ohne dabei weitere Anzeigen für das Wachstum einzurechnen.

Social Media allein genügt nicht

Es gilt immer erst zu analysieren, welches Ziel Sie mit Ihrem Social Media Auftritt verfolgen. Klicks und Likes sind nicht nur immer schwerer zu bekommen, sie sind auch per se noch nichts wert. Die genaue Customer Journey unseres Unternehmens muss vorab analysiert werden, um zu klären, ob und wie genau wir mit einem Social Media Auftritt unser Ziel erreichen möchten.

Eine reine Präsenz in sozialen Medien reicht heute nur noch selten, um Anfragen zu generieren. Stattdessen ist diese Präsenz Teil eines mehrschichtigen digitalen Verkaufsprozesses geworden. Die eigene Website, die Aussagen unserer Vertriebsmitarbeiter etc. sollten dabei ein möglichst stimmiges Bild ergeben. Anstatt auf virale Verbreitung zu hoffen, sollten wir überlegen, wie eine stetige und zielgerichtete Präsenz in sozialen Medien zu unserem unternehmerischen Gesamtauftritt passt und welche Vorteile wir daraus für uns erarbeiten wollen bzw. können.

Zu guter Letzt sollte man nicht unterschätzen, wie zeitaufwendig eine ordentlich gepflegte und organisierte Präsenz ist. Selbst mit nur einem halbherzigen Auftritt auf Instagram und Co. ist man schnell halbtags beschäftigt. Auch deswegen gilt es die notwendigen personellen Ressourcen bereitzustellen und natürlich ein entsprechendes Budget.

Die Zeiten, in denen man zu Taschengeldbeträgen hochprofitable Werbeanzeigen schalten konnte, sind zwar vorbei, aber Sie können als kleines, mittleres Unternehmen auch heute noch sehr erfolgreich in sozialen Medien werben. Und dies teilweise immer noch günstiger als mit traditionellen Werbemethoden.

Kurzprofil über den Gastautor David A. Schneider

David A. Schneider hat über 12 Jahre an vorderster Front im Vertrieb und im direkten Marketing verbracht. Sein erstes Unternehmen hat er mit 18 Jahren gegründet und war seither von den Möglichkeiten und Auswirkungen des Unternehmertums auf unsere Gesellschaft fasziniert. Derzeit hat er eine leitende Funktion in einem Familienunternehmen mit 150 Mitarbeitern und teilt sein Wissen als Autor, Blogger und Unternehmensberater mit seinen Kunden und Lesern.

Link zum Buch: Vertrieb digitalisieren
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